Interview mit Ursula Haselböck - Intendantin der Festspiele MV

Mit dem Solistenpreis fördert die WEMAG jedes Jahr den Karrierestart junger Musikerinnen und Musiker.

Ursula Haselböck Intendantin der Festspiele MV vor einer großen Holztür
Seit 2020 ist Ursula Haselböck, als erste Frau in dieser Position, geschäftsführende Intendantin der Festspiele MV. Foto: WEMAG/Stephan Rudolph-Kramer

Die 1981 in Wien geborene Ursula Haselböck studierte in Bologna, Wien und Krems Germanistik, Violoncello und Musikmanagement. Nach Tätigkeiten für das Tonkünstler Orchester Niederösterreich und das Grafenegg Festival ging sie 2013 ans Konzerthaus Berlin und leitete dort als Dramaturgin die Planung der Festivals und der Entwicklung neuer Formate. Seit 2020 ist sie, als erste Frau in dieser Position, geschäftsführende Intendantin der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern.

Sie lebt mit ihrem Mann, einem Pianisten, und zwei Söhnen in Schwerin und freut sich als Österreicherin immer noch ganz besonders, nun in der Nähe der Ostsee mit so kurzem Weg zu den schönsten Stränden der Nation zu wohnen.

Sie sind seit 1. September 2020 in Schwerin. Wie gefällt Ihnen die Stadt?

Ich bin Wienerin, habe dann einige Jahre in Berlin gelebt – es war also schon eine Umstellung, in eine kleinere und ruhigere Landeshauptstadt zu ziehen. Aber ich habe es nie bereut: Es ist großartig, was diese wunderbare Stadt Schwerin zu bieten hat, an Natur und an Kulturangeboten. Natürlich macht es großen Spaß, mit den Festspielen von hier aus ins ganze Land zu gehen. Ja, nach vier Jahren kann ich mit meiner Familie stolz sagen: Schwerin und Mecklenburg-Vorpommern ist unser Zuhause.

Mit welchen Charaktereigenschaften würden Sie sich selbst beschreiben?

Humorvoll, stur und begeisterungsfähig.

Auf welchem Weg sind Sie zur Musik gekommen?

Es ging nicht anders. Ich komme aus einer Musikerfamilie, einer Musikerdynastie. Vor allem väterlicherseits, aber auch mütterlicherseits war die Musik immer zentral. So war es für mich als Kind keine Frage, ob ich ein Instrument lerne, sondern nur, welches. Nach sehr unerfolgreichen Umwegen über das Klavier und die Geige kam ich letztendlich zum Cello. Ich erreichte meinen Studienabschluss in Musik und stand selbst viel auf der Bühne, es war mir aber immer klar, dass ich das Cellospiel nicht ein Leben lang zu meinem Beruf machen will. Denn ein Profimusiker zu sein, ist wirklich sehr harte Arbeit, erfordert sehr viel Fleiß, Ausdauer und Sitzfleisch, was ich schlichtweg beim aktiven Musizieren nicht hatte. Ich habe aber schon an der Universität immer gerne organisiert, geplant und so Musik möglich gemacht: So war mein Weg im Musikmanagement schnell vorgezeichnet und ich merke, dass es hier ein großer Vorteil ist, selbst Musikerin gewesen zu sein, die Branche also auch von der anderen Seite gut zu kennen.

Welche Rolle spielte die Musik in Ihrer Kindheit?

Mein Vater ist Organist und Dirigent, außerdem Gründer eines eigenen Orchesters. Es wurde bei uns zuhause selbstverständlich geprobt und musiziert und es gingen immer Musiker und Musikerinnen ein und aus. Wenn ich mir heute Kindheitsfotos ansehe, bedaure ich etwas, dass ich damals nicht älter war und durchschaut habe, wer da manchmal so am elterlichen Küchentisch vor mir saß. Meine Mutter hat wiederum Geige studiert und war Musiklehrerin, auch meine beiden Geschwister haben natürlich ein Instrument gelernt. Wir haben zu Hause viel gesungen und es wurde quasi ständig Musik gehört, es war immer vor allem klassische Musik um mich herum. Und so bin ich in diese wunderbare Welt wie selbstverständlich hineingewachsen. Nur die familiäre Hausmusik ist dann nicht selten in Streitigkeiten darüber ausgeartet, wer denn nun den Ton angibt. Das haben wir also bald auf die wichtigsten Anlässe reduziert.

An welches Publikum richten sich die Festspiele mit ihrem Programm?

Uns ist es sehr wichtig, ein Festival für alle zu sein. Der klassischen Musik wird manchmal fälschlicherweise nachgesagt, sehr elitär und nur für ein Publikum aus entsprechenden Kreisen verfügbar zu sein. Da können wir selbstbewusst sagen, dass wir das Gegenteil beweisen. Die Festspiele kommen zu Orten, an denen man sonst vielleicht keine Konzerte erwarten würde: in Gutshäusern, Werfthallen, Fabriken, Clubs oder einfach Open Air. Neben wunderbarer klassischer Musik vom Orchester bis zum Solokonzert findet man in unserem Programm Jazz und elektronische Musik, Filmmusik und Klassik – und das alles zu vergleichsweisen niedrigen Preisen. Das ist nun seit fast 35 Jahren unsere Mission und es funktioniert gut. Wir sind ein Bürgerfestival geworden, das auf ganz viele Schultern verteilt ist. Da wir uns überwiegend privatwirtschaftlich finanzieren, sind das einerseits die vielen Förderer und Sponsoren, die im ganzen Land verteilt sind. Unser wichtigster Unterstützer ist aber unser Publikum. Wir haben zum Beispiel einen Freundeskreis von 2.000 Mitgliedern. Darauf sind wir sehr stolz.

Wie schlagen Sie die Brücke zum Publikum, das nicht mit klassischer Musik aufgewachsen ist?

Eben genau dadurch, zu den Menschen im ganzen Land zu kommen. Auch vom Programm her spannen wir einen großen Bogen und man findet so bei den Festspielen nicht nur klassische Musik, sondern einfach gute Musik der verschiedenen Genres. Also junge Musikerinnen und Musiker, die am Beginn ihrer Karriere stehen genauso wie internationale Stars, große Filmmusik und kleine, heimelige Kammermusikformate und ich freue mich ganz besonders, dass unsere Reihe „Nicht ganz klassisch“ so gut ankommt. In diesem Jahr war zum Beispiel Max Mutzke in Wismar zu Gast, genauso wie junge Jazzerinnen und Jazzer in der Reihe „Grenzgänge“. Und besonders wichtig ist uns natürlich, schon die Kleinsten für Musik zu begeistern: Das große Kinder- und Familienfest im Juni auf Schloss Hasenwinkel wurde jetzt tatsächlich schon 10 Jahre alt, wir bieten Kinderkonzerte im ganzen Land an – und selbst bei den großen Konzerten in Redefin, wo die internationalen Superstars der Klassik auftreten, gibt es eine Kinderbetreuung. Das heißt, die Kleinen können mitkommen und vielleicht die erste Konzerthälfte anhören. Wenn es aber dann doch zu lang wird, bekommen sie ein eigenes, altersgerechtes Programm, extra für diesen Anlass entwickelt. So können Kinder erste Konzertluft schnuppern, ohne überfordert zu sein. Es ist also sicher für jeden etwas dabei. Nicht zu vergessen „Das kleine Fest im großen Park“ in Ludwigslust, zu dem wir jedes Jahr tausende Besucherinnen und Besucher begrüßen.

Wie werden die Spielorte im ländlichen Raum ausgewählt?

Wir haben tatsächlich viele Spielstätten, in denen wir jedes Jahr Konzerte veranstalten. Diese Verlässlichkeit ist uns wichtig, damit das Publikum weiß, dass die Festspiele auf jeden Fall jeden Sommer wiederkommen. Aber auch neue Spielstätten kommen ins Programm. In diesem Jahr sind es sogar insgesamt sieben, worauf wir sehr stolz sind. Denn ein Konzert in einer Papierfabrik, wie in diesem Jahr in Neu Kaliß, erlebt man sicher nicht jeden Tag. Viele Orte bewerben sich aktiv darum, Festspielort zu werden. Ich fahre aber auch in jedem Jahr persönlich durch die Lande, auf der Suche nach neuen, spannenden Stätten, die man mit Musik füllen könnte. Dabei entdecken wir manchmal plötzlich einen restaurierten Gutshof oder eine Fabrikhalle, eine verwunschene Kirche oder auch eine Ruine. Wir bemühen uns also aktiv, weiße Flecken auf der Festspiellandkarte zu füllen – Ziel ist es ja immer, die Festspiele zu den Menschen im Land zu bringen.

Welche Synergieeffekte entstehen durch die Veranstaltungen für die Kommunen und Gemeinden?

Die Orte, an denen wir Konzerte machen, sind natürlich immer mit Gastgeber. Wir wollen ja nicht wie die Ufos einmal im Jahr landen und ein Konzert geben, sondern das Schönste ist es doch, wenn die Menschen vor Ort selbst mitfiebern, die Atmosphäre ihres Ortes präsentieren und stolz sein können, dass Menschen aus dem ganzen Land und darüber hinaus bei ihnen zu Gast sind. Wir haben bemerkt, dass besonders die kleinen Orte im ländlichen Raum genau diese Gastgeberfunktion gerne leben und dass die Gäste sowie Künstlerinnen und Künstler genau das lieben. Wir haben ein sehr reisefreudiges Publikum, das auf den Spuren der Festspiele durchs Land fährt und sich ganz absichtlich Orte heraussucht, an denen es noch nie war. Viele sind immer wieder selbst ganz überrascht, welche wunderschönen Plätze im Land sie so entdecken. Sicherlich ist das ein großer Pluspunkt für die Gemeinden, wenn Menschen diese Orte kennenlernen, davon erzählen und im Idealfall sogar wiederkommen. Und natürlich bemühen wir uns auch immer sehr, die lokale Musikszene in Mecklenburg-Vorpommern in unser Programm mit einzubinden – so haben hoffentlich alle etwas davon.

An welchen Stellen gibt es Berührungspunkte zur WEMAG?

Die WEMAG ist seit vielen Jahren einer unserer wichtigsten Partner. Wir wollen das Vertrauen der Menschen auch über Katalysatoren gewinnen und die WEMAG ist so nicht nur ein guter Verteiler und Botschafter, sondern steht – wie die Festspiele – für Qualität, Verlässlichkeit und eine große Leidenschaft für Mecklenburg-Vorpommern. Was ich persönlich am Engagement der WEMAG besonders großartig finde, ist, dass sie unsere Passion für junge Künstlerinnen und Künstler teilt. Im Rahmen der Reihe „Junge Elite“ laden wir in jedem Jahr junge Musikerinnen und Musiker ein, die am Start ihrer Karriere stehen und sich einem internen Wettbewerb um insgesamt drei Preise stellen. Einer davon ist der WEMAG-Solistenpreis, mit dem wir in jedem Jahr einen Musiker oder eine Musikerin auszeichnen dürfen. Diese Musikerinnen und Musiker werden dann regelmäßig zu den Festspielen eingeladen und wir begleiten ihre Karrieren. So sind namhafte Künstlerinnen und Künstler wie Daniel Hope, Matthias Schorn, Julia Fischer oder Anastasia Kobekina ganz jung zu den Festspielen MV gekommen. Seitdem sind wir ein Fixpunkt im Kalender dieser international gefragten Künstlerinnen und Künstler. Das hat die WEMAG mit möglich gemacht.

Wo sehen Sie die Festspiele in einem Jahr?

Die Festspiele sind 1990 gegründet worden: Im nächsten Jahr feiern wir also unseren 35. Geburtstag mit einer großen musikalischen Party im ganzen Land! Natürlich freue ich mich darauf, weiterhin mit unserem Publikum, mit den Musikerinnen und Musikern und mit vielen Partnern, Unterstützern und Sponsoren und natürlich ganz besonders mit der WEMAG weiter dieses wunderschöne Land zu entdecken und zu gestalten. Mecklenburg-Vorpommern kann stolz auf sich sein!

Mitfahrzentrale der Festspiele MV

Nachhaltigkeit und soziale Teilhabe sind für die WEMAG wie für die Festspiele wichtige Themen. Deshalb ist mit der Mitfahrzentrale eine besondere Kooperation eingegangen worden. Der Hintergrund: Viele Konzerte im ländlichen Raum sind durch den öffentlichen Nahverkehr kaum bis gar nicht zu erreichen. Um einerseits allen Gästen den Besuch zu ermöglichen und gleichzeitig zu verhindern, dass vermeidbare Kilometer im Auto zurückgelegt werden, gibt es nun eine Plattform, die Fahrerinnen und Fahrer mit Mitfahrerinnen und Mitfahrern verbindet. Unter der Internetadresse twogo.com kann man sich so ganz einfach registrieren – einerseits, wenn man einen Platz im Auto auf der Fahrt zum Konzert anbieten kann, oder wenn man eine Mitfahrgelegenheit sucht. So werden Menschen mit der gleichen Leidenschaft für Musik zu Fahrgemeinschaften zusammengebracht.

Miriam Jablonski

WEMI
Um mit uns zu chatten, akzeptieren Sie bitte die funktionellen Cookies (Onlim).
Akzeptieren