Rebound Effekt beim Stromverbrauch - Mehrverbrauch durch stromsparende Geräte
Meine Frau hat neulich einen Online-Shop für Designerklamotten gefunden, wo es immer 50% Rabatt gibt. Nun sollte man meinen, dass die Ausgaben für Kleidung meiner Gattin deutlich sinken sollten. Pustekuchen, jetzt gibt sie noch mehr aus, denn die Klamotten sind ja so billig. Ein ähnlich paradoxes Phänomen zeigt sich auch beim Energieverbrauch. So kann eine höhere Energieeffizienz dazu führen, dass der Energieverbrauch im Gesamten ansteigt, weil Verbraucher ihr Verhalten ändern. Dieser sogenannte Rebound-Effekt lässt sich sehr gut am Beispiel der Beleuchtung in Haushalten erläutern.
Der Rebound-Effekt am Beispiel der Beleuchtung
Im Laufe der Jahrhunderte kam es zu einem massiven Anstieg bei der Nachfrage nach Beleuchtung. Dies ist unter anderem auch an den erreichten Verbesserungen bei der Energieeffizienz festzumachen. Die Entwicklung von neuen Technologien führte dazu, dass die Beleuchtung immer effizienter und dadurch auch kostengünstiger wurde. Wurden ursprünglich ausschließlich Kerzen zu Beleuchtung eingesetzt kam es mit der Zeit zum Einsatz von Lampen, die zunächst mit Walöl und später dann mit Erdgas beleuchtet wurden. Zum Schluss führte die Erfindung der Glühbirne zur effizientesten und zugleich auch gefahrlosesten Form der Beleuchtung.
Doch auch die Glühbirnen wurden im Laufe der Jahre weiterentwickelt und immer effizienter. So wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts die bis dahin eingesetzten Kohlefaserglühbirnen durch Wolframglühbirnen ersetzt und der Energieverbrauch damit um ein Viertel reduziert. Befürchtungen einiger Elektrizitätswerke, dass es nun zu Umsatzeinbußen kommen würde, bestätigten sich jedoch nicht. In Gegenteil der Gesamtverbrauch stieg aufgrund des Rebound-Effekts sogar noch an. Zwischen den Jahren 1900 und 2000 stieg die Nachfrage nach Beleuchtung deutlich stärker als das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf. Durch eine Steigerung der Energieeffizienz um den Faktor 1000, betragen die Kosten für unsere Beleuchtung nur noch 0,3 Promille derer zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Im gleichen Zeitraum sanken auch die Kosten der verwendeten Energieträger, wenn auch in deutlich geringerem Umfang.
Ein weiterer Grund für die Nachfragesteigerung liegt an der Zunahme des allgemeinen Wohlstands, welcher mit Beginn der Industrialisierung einsetzte. Damit verbunden stieg auch die von einem Haushalt im Schnitt bewohnte Wohnfläche stark an. Zusätzlich konnten sich die Menschen aufgrund steigender Löhne eine größere Anzahl an Lampen und anderen Beleuchtungsmitteln leisten.
Mehr Wärme zum gleichen Preis: Heizen und Solarthermie
Laut Umweltbundesamt spielen Rebound-Effekte im Bereich Beleuchtung in Industriestaaten heute keine so große Rolle mehr, da hier bereits ein gewisser Sättigungseffekt eingetreten ist. Anders beim Thema Raumwärme: Viele Haushalte haben in den letzten Jahren in effizientere Heizgeräte oder eine bessere Gebäudeisolierung investiert. Trotzdem sinkt der Energieverbrauch nicht immer in dem Maß, wie es technisch möglich wäre. Möglicherweise verleitet die sparsamere Technik dazu, die Heizung eine Spur höher zu drehen oder über Nacht einfach laufen zu lassen. Und so wird mit dem hocheffizienten Gaskessel nicht etwa Energie gespart, sondern einfach munter mehr verbraucht. Wissenschaftlichen Studien zufolge betragen die Rebound-Effekte bei Raumwärme rund 10 bis 30 Prozent - die genauen Werte hängen stark von der Methodik und den verwendeten Daten ab.
Mit ähnlichen Folgen rechnet das Umweltbundesamt, wenn Privathaushalte mit einer eigenen Solarthermieanlage am Dach Warmwasser herstellen. Manche Nutzer könne das zu einer gewissen Sorglosigkeit verleiten, nach dem Motto: Die heiße Dusche kostet nichts, sobald die Sonne scheint. In der Folge wird länger und wärmer geduscht oder auf einen effizienten Brausekopf verzichtet. Doch zu bedenken ist: Auch die Trinkwasser-Aufbereitung und die Entsorgung von Abwasser verbraucht Energie. Zudem kommt die Solaranlage schnell an ihre Grenzen, wenn jedes Familienmitglied morgens gut 10 Minuten lang das Wasser plätschern lässt.
Rebound-Effekt: Effiziente Haushaltsgeräte als Stromfalle?
Auch Kühlschränke, Fernseher oder Spülmaschinen verbrauchen dank effizienterer Technologien immer weniger Strom. Doch in vielen Haushalten sinkt der Stromverbrauch nicht im gleichen Maß. Ein möglicher Grund: Viele Konsumenten neigen dazu, sich immer größere und leistungsstärkere Geräte anzuschaffen. Ein größer dimensionierter Kühlschrank verbraucht insgesamt aber mehr Strom als ein Kleingerät - auch wenn er das auf effiziente Weise tut. Dadurch kann die Stromrechnung sogar steigen, obwohl man auf ein effizienteres Gerät umgerüstet hat.
Ein weiteres Beispiel sind Notebooks. Die Geräte der neuesten Generation verbrauchen zwar viel weniger Strom als ein alter Stand-PC. Doch dafür besitzt heute oft jedes Familienmitglied sein eigenes Notebook, so dass insgesamt doch wieder mehr Energie verbraucht wird. Und auch unsere Nutzungsgewohnheiten haben sich verändert. Videotelefonie, Streaming-Dienste oder Online-Games sorgen für einen enormen Datenverkehr und damit für einen erhöhten Stromverbrauch der Rechenzentren im Hintergrund. Der Datenverkehr im deutschen Mobilfunknetz hat sich übrigens innerhalb von nur 5 Jahren versechsfacht: von rund 575 Millionen Gigabyte im Jahr 2015 auf stattliche 3.500 Millionen Gigabyte im Jahr 2020. Möglich ist das nur, weil wir - bezogen auf das Datenvolumen - immer billiger surfen oder streamen. Die dadurch möglichen Einsparungen werden aber durch den Mehrverbrauch "aufgefressen".
Digitalisierung: Klima-Sündenfall oder Chance?
Generell spielt die Digitalisierung eine sehr ambivalente Rolle, was das Thema Stromverbrauch betrifft. Einerseits ist die Energiewende auf digitale Technologien angewiesen: Kleinkraftwerke werden in der Cloud vernetzt, um sie virtuell zu steuern. Digitale Analyse- und Planungstools helfen dabei, Stromerzeugung und -verbrauch in dezentralen Netzen gut zu koordinieren. Auch Smart-Home-Technologien können den Strombedarf im Haushalt zähmen: Etwa indem die Spülmaschine "lernt", sich nur dann einzuschalten, wenn es gerade genug Strom aus der hauseigenen Solaranlage gibt. Zugleich verbraucht die smarte Vernetzung und Steuerung von Anlagen oder Geräten aber auch selbst Strom und sorgt somit für den Rebound-Effekt.
Wissenschaftler des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und der Technischen Universität Berlin haben in einer kürzlich veröffentlichten Studie untersucht, wie sich die Digitalisierung insgesamt auf den Energieverbrauch auswirkt. Das Fazit der Experten fällt durchwachsen aus: Zwar sind viele Prozesse oder Geräte durch digitale Technologien effizienter geworden. Diese Einsparungen werden aber durch eine erhöhte Nachfrage konterkariert. Hinzu kommt, dass die Herstellung, Nutzung und Entsorgung moderner Informations- und Kommunikationstechnik enorme Mengen an Energie und Ressourcen verschlingt. Insgesamt bewirken diese Rebound-Effekte, dass unser Energieverbrauch durch die Digitalisierung leider nicht schon "automatisch" sinkt.
Rebound-Effekte vermeiden: Was können wir alle tun?
Effizienzsteigerungen sind somit kein Selbstzweck und kein Allheilmittel, um unseren Energiebedarf zu bändigen und die Klimakrise gut zu bewältigen. Am Ende zählt nur, wie viel Strom tatsächlich verbraucht wird - und wie wir diesen erzeugen. Um das Potenzial von Effizienzsteigerungen voll auszuschöpfen, ist unser Nutzungsverhalten entscheidend: Braucht es wirklich eine Raumtemperatur von mehr als 22 Grad, ein tägliches Vollbad oder 15-minütige Duschorgien? Und ist nicht vielleicht ein Spaziergang erholsamer als die fünfte Serienfolge zu streamen? Jede eingesparte Kilowattstunde schont den eigenen Geldbeutel und hilft uns langfristig, die dringend nötige Trendwende im Bereich Klimaschutz zu schaffen.